Leihmutterschaft. Schon das Wort allein spaltet jeden Raum in zwei Lager. Die einen sehen darin die letzte Hoffnung auf ein eigenes Kind. Die anderen sprechen von moderner Sklaverei. Beide Seiten haben verdammt gute Argumente.
Als schwules Paar, das selbst diesen Weg gewählt hat, können wir nicht mehr wegsehen. Nicht bei den erschreckenden Zahlen aus aktuellen Studien. Nicht bei den Geschichten von Frauen, die für unseren Traum ihre Gesundheit riskieren. Und schon gar nicht bei dem System, das zu oft alle ausbeutet: die Frauen, die Kinder und ja, auch die verzweifelten Wunscheltern.
Dieser Artikel wird wehtun. Er soll wehtun. Denn nur wenn wir ehrlich über die Realitäten sprechen, können wir etwas ändern.
Die Wahrheit über medizinische Risiken
Eine kanadische Studie aus 2024 hat endlich getan, was längst überfällig war: 860.000 Schwangerschaften über neun Jahre analysiert. Die Ergebnisse? Brutal.
7,8 Prozent der Leihmütter erleiden schwere Komplikationen. Bei normalen Schwangerschaften sind es 2,3 Prozent. Das ist nicht "etwas höher". Das ist das Dreifache.
Wir reden hier nicht von leichten Beschwerden. Wir reden von lebensbedrohlichen Blutungen nach der Geburt. Von Präeklampsie, die zu Krampfanfällen und Organversagen führt. Von Infektionen, die zur Blutvergiftung werden können.
Warum passiert das? Der Körper der Leihmutter erkennt das Baby als Fremdkörper. Komplett fremd. Null genetische Übereinstimmung bedeutet: Das Immunsystem kämpft neun Monate lang gegen das Kind, das da wächst.
Bei Zwillingen wird's noch schlimmer. Über 50 Prozent Frühgeburtenrate. Bei Drillingen fast 100 Prozent. Kliniken, die trotzdem mehrere Embryonen einsetzen? Die nehmen bewusst in Kauf, dass Frauen und Kinder leiden.
Frauen, die eine Präeklampsie durchgemacht haben, tragen das Risiko ein Leben lang mit sich: dreifach erhöhtes Risiko für chronischen Bluthochdruck, doppeltes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Eizellspenderinnen: Die vergessenen Opfer
Hier wird's richtig dunkel. Viele wissen nicht mal, dass hinter ihrer Leihmutterschaft noch eine andere Frau steht: die Eizellspenderin.
Die American Society for Reproductive Medicine sagt klar: Maximal sechs Spenden pro Frau. Warum? Weil das Risiko für schwere Komplikationen mit jedem Zyklus steigt. Pro Zyklus liegt es bei 1-2 Prozent, nach sechs Mal bei 13 Prozent.
Was bedeutet "schwere Komplikationen"? Die Eierstöcke schwellen auf das Mehrfache an. Flüssigkeit sammelt sich in Bauch und Lunge. Nierenversagen droht. Eine US-Umfrage zeigte: 30 Prozent der Eizellspenderinnen hatten OHSS, 11,6 Prozent brauchten einen Krankenhausaufenthalt.
Das Skandalöse: Trotz über 30 Jahren Eizellspende gibt es bis heute keine einzige Langzeitstudie zu den Folgen für die Frauen. Eine Forscherin der University of California San Francisco brachte es auf den Punkt: "Wir haben extrem wenige Informationen über Risiken und Nutzen der Eizellspende".
In Georgien kam 2025 ein Fall ans Licht, der einem den Atem raubt: 100 thailändische Frauen in einer "Menschenfarm" gefangen gehalten. Monatelang Hormonspritzen. Jeden Monat Eizellentnahme unter Narkose. Wer sich weigerte, zahlte 1.850 Euro Strafe. Mehr als ihr Jahreseinkommen.
Eine der befreiten Frauen sagte: "Wir haben nie ein einziges Paar gesehen, das eine Leihmutter suchte. Die Eizellen wurden ins Ausland verkauft."
Das ist kein Einzelfall. Das ist System.
Die Psyche: Kollateralschäden, die keinen interessieren
Stellt euch vor: Ihr tragt neun Monate lang ein Kind aus. Spürt jeden Tritt. Erlebt jede Schwangerschaftsbeschwerde. Und dann müsst ihr es hergeben.
"Die wissen ja, worauf sie sich einlassen", sagen manche. Bullshit.
Keine Frau kann sich vorstellen, wie es ist, bis sie es erlebt. Postpartale Depressionen bei Leihmüttern sind häufiger als gedacht. Schuldgefühle, die jahrelang nagen. Identitätskrisen: "Bin ich jetzt eine Gebärmaschine?"
Das Perfide: Nach der Geburt verschwinden alle. Die Babys sind weg. Die Aufmerksamkeit ist weg. Die Betreuung ist weg.
Die Frauen bleiben zurück. Mit ihren Narben, körperlich und seelisch. Und niemand fragt, wie es ihnen geht.
Follow the Money: Wer kassiert wirklich ab?
Schauen wir uns die Zahlen aus der Ukraine an (vor dem Krieg):
Gesamtkosten: 50.000 Euro
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Agentur: 20.000 Euro
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Klinik: 15.000 Euro
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Anwälte: 10.000 Euro
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Leihmutter: 5.000 Euro
Die Frau, die ihr Leben riskiert, bekommt 10 Prozent. Zehn verdammte Prozent.
In Georgien ist es noch perverser. 5.000 Euro für eine Schwangerschaft. Bei einem Durchschnittseinkommen von 200 Euro im Monat.
Das ist nicht Selbstbestimmung. Das ist wirtschaftlicher Zwang mit schönem Namen.
Rechtslage: Ein gefährlicher Wilder Westen
Thailand 2015: Ein australisches Paar lässt ein Kind mit Down-Syndrom bei der Leihmutter zurück. Nimmt nur den gesunden Zwilling mit. Über Nacht wird Leihmutterschaft für Ausländer verboten. Hunderte Paare stranden mitten im Prozess.
Ukraine 2022: Russische Raketen schlagen in Kiew ein. Dutzende Neugeborene von Leihmüttern sitzen in Bunker-Kellern fest. Die ausländischen Eltern kommen nicht durch die Kriegszone.
Eine Krankenschwester erzählte Reuters: "Ich versorge 19 Babys von Leihmüttern. Meine eigenen Kinder habe ich seit Wochen nicht gesehen".
Das zeigt brutal: Wenn etwas schiefgeht, sind immer die Frauen die Leidtragenden.
Die EU hat 2024 reagiert. 563 zu 7 Stimmen im Parlament: Kommerzielle Leihmutterschaft wird als Menschenhandel eingestuft. Das Signal ist klar.
Kinderrechte: Die, um die es eigentlich geht
Kinder aus Leihmutterschaft haben manchmal drei "Mütter": Die genetische Spenderin, die Austragerin, die soziale Mutter. Wenn alle anonym bleiben, verletzt das fundamental die UN-Kinderrechtskonvention.
Artikel 7 und 8 sind glasklar: Kinder haben das Recht, ihre Herkunft zu kennen.
Nicht nur aus emotionalen Gründen. Wenn das Kind später Diabetes entwickelt, Krebs bekommt oder eine Organspende braucht – medizinische Herkunftsinformationen können Leben retten.
Großbritannien macht's vor: Seit 2005 können Kinder ab 18 ihre biologischen Eltern kontaktieren. Deutschland? Fehlanzeige.
Standards, die Leben retten würden
Einzelembryotransfer. Punkt. Keine Zwillinge "bestellen", weil's billiger ist. Die deutschen IVF-Register-Daten zeigen: Einzeltransfer bedeutet nur 1,4 Prozent Mehrlingsrisiko, Doppeltransfer 20,4 Prozent.
Maximal sechs Eizellspenden pro Frau. Weltweit. Durchsetzbar durch internationale Register.
Psychologische Begleitung als Pflicht. Vor dem ersten Hormon bis zwei Jahre nach der Geburt.
Finanzielle Transparenz: Die Frauen müssen mindestens 60 Prozent der Gesamtsumme erhalten.
Unabhängige Anwälte für alle Beteiligten. Nicht über die Agentur "vermittelt".
Kinderrechte garantieren: Ab 18 Kontakt zu allen biologischen Eltern möglich.
Was wir anders gemacht haben
Wir haben uns bewusst für den schwierigsten Weg entschieden. USA statt Ukraine. Nicht weil's einfacher ist, sondern weil's ethischer ist.
Unsere Eizellspenderin ist finanziell unabhängig. Macht das zum vierten Mal. Aus Überzeugung, nicht aus Not. Unser Kind wird sie kennenlernen dürfen.
Unsere Leihmutter hat zwei eigene Kinder. War bereits ein Mal erfolgreich Leihmutter. Wird überdurchschnittlich bezahlt und hat eine Komplikationsversicherung.
Die Agentur erfüllt alle Standards, die wir fordern: Psychologische Begleitung, unabhängige Anwälte, faire Bezahlung, Single Embryo Transfer.
Das kostet mehr. Dauert länger. Ist komplizierter.
Aber wir können nachts schlafen.
An alle Wunscheltern: Schaut genau hin
Wir verstehen euren Schmerz. Wirklich. Die Verzweiflung, wenn Zyklus um Zyklus scheitert. Die Verlockung, wenn Agenturen "günstige Pakete" anbieten.
Aber bitte: Kind ja, aber nicht um jeden Preis.
Fragt nach psychologischer Betreuung. Verlangt Kostentransparenz. Besteht auf Single Embryo Transfer. Sorgt dafür, dass euer Kind später seine Herkunft kennen kann.
Es gibt ethische Wege. Sie sind teurer und länger. Aber am Ende müsst ihr in den Spiegel schauen können. Und eurem Kind erklären, unter welchen Umständen es geboren wurde.
Zeit für echte Veränderung
Leihmutterschaft wird nicht verschwinden, egal wie viele Gesetze dagegen erlassen werden. Verbote schaffen nur Schwarzmärkte.
Was wir brauchen, sind internationale Standards. Schutz für die Frauen. Rechte für die Kinder. Und Wunscheltern, die Verantwortung übernehmen.
Die EU-Entscheidung ist ein Anfang. Die Georgien-Fälle ein Weckruf. Jetzt müssen wir handeln.
Denn eines ist klar: Kinder sollten niemals auf Kosten der Würde und Gesundheit anderer entstehen. Das ist machbar. Wenn wir wollen.
Quellenverzeichnis
Annals of Internal Medicine (2024): "Severe Maternal and Neonatal Morbidity Among Gestational Carriers"
The Guardian (24.09.2024): "Surrogates face higher risk of pregnancy complications, study finds"
SciTechDaily (2024): "The Hidden Dangers of Being a Surrogate Mother Exposed in New Study"
London IVF and Genetics: "Egg Donation Pregnancies Risk Pre-Eclampsia"
Deutsches IVF-Register (2020, 2022): Jahrbuch für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch
Preeclampsia Foundation: "Heart Disease & Stroke"
Radio Free Europe/Radio Liberty (2023): "Georgia Surrogacy Surrogate Mothers Assisted Reproduction"
Reuters (16.03.2022): "Nurse cares for surrogate children in Kyiv as war stops her seeing her own"
Europäisches Parlament (24.01.2024): "Trafficking in human beings: deal on new EU rules"
UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 7 & 8, BMFSFJ, UNICEF
ASRM Committee Opinion (2020): "Repetitive oocyte donation"
Biorespect Switzerland (2024): "Medizinische Risiken der Eizellspende"
PMC/Fertility and Sterility (2014): "Advocating for longitudinal follow-up of the health and welfare of egg donors"
UCSF Bixby Center (2023): "Decreasing egg donors' risk for ovarian hyperstimulation syndrome"
Diane Tober (UCSF): "Uncovering the Long-Term Health Outcomes for Egg Donors"
NAU.ch, Watson.ch, Berliner Morgenpost (Feb 2025): "Menschenfarm in Georgien"
Cofertility.com: "How Many Times Can You Donate Your Eggs?"